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Ist es eigentlich (fast) unmöglich, einen BIK BITV-Test zu bestehen?

Als BIK BITV-Prüfstelle hat man historisch mehrheitlich Anfragen aus dem öffentlichen Sektor, da es spätestens seit 2018 dort EU-einheitliche Regelungen zur Web-Barrierefreiheit gibt. Aber auch Vertreter*innen des privaten Sektors fragen in letzter Zeit Unterstützung bei der Umsetzung von inklusivem Webdesign und BIK-Tests an. Das ist grundsätzlich gut, da es der Teilhabe im Web (und häufig auch dem Geschäft) hilft. Auch auf Teile des privaten Sektors wird eine veränderte Gesetzeslage zukommen. Hier lautet das Stichwort "Barrierefreiheitsstärkungsgesetz" (BFSG) und vor allem Banken und Online-Shop-Betreibende sind ab 28.6.2025 betroffen (und damit oft nur Monate von einer Verpflichtung zur Zugänglichkeit entfernt).

Eventuell haben Anfragende schon bestimmte Bilder zum "BITV-Test" im Kopf; eine Vorstellungen was ein BIK BITV- oder WCAG-Test bedeutet. Diese Bilder könnten eventuell veraltet ausfallen, weil man sich an einen BIK BITV-Test vor dem Mai 2019 und ein Punktesystem erinnert (damit übrigens auch an eine andere BITV 2.0, die aber ärgerlicherweise immer noch so heißt, und nicht etwa BITV 3.0). Oder man hat schon einen BIK-Test seit Frühling 2019 erlebt und den Eindruck, dass dieser Nuancen vermissen lässt, sehr "brutal" in seinen Urteilen und sowieso unnötig teuer ist.

Gleicher Name, anderer Standard

Diesen Gedanken würde ich mich sehr gerne hiermit widmen. Zuerst mit einer kurzen Erklärung, was denn da im Frühling 2019 genau passiert ist: Mit der EU-Richtlinie 2102/2016 wurde der gesamte öffentliche Sektor der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet. Alle EU-Mitglieder hatten also entsprechende Gesetze anzupassen oder zu schaffen. In diesem Zuge wurde auch die BITV 2.0 verändert, und zwar von diesen Vorgaben, die übrigens direkt in der Verordnung enthalten waren, zu (unter anderem) einer Europäischen Norm (referenziert in BITV 2.0 §3), die den standardseitigen Dreh- und Angelpunkt der digitalen Barrierefreiheit in der Europäischen Union bieten sollte. Diese Norm heißt konkret "DIN EN 301 549" und ist seit mehr als vier Jahren entsprechend auch die Grundlage für den BIK BITV-Test.

Wenn man sich die Norm genauer anschaut, fällt auf, dass sie in Kapitel 9 den international zentralen Barrierefreiheitsstandard "Web Content Accessibility Guidelines" (WCAG) beinhaltet (hier eine deutsche Übersetzung aus der Community). Die aktuelle EN 301 549 Version 3.2.1 hat hat WCAG Version 2.1, Level AA. Diese "wirkt" auf die EN 301 549 als Ganzes und es lassen sich aus der WCAG folgende Testbedingungen für einen BIK-Test ableiten:

All diese Faktoren bilden die "Leitplanken" für BIK-Regeln und einen BIK BITV- oder BIK WCAG-Test. Im Gegensatz zum früheren BIK BITV-Test definiert die WCAG nur ein Bestehen oder Nichtbestehen von einzelnen Prüfschritten. Die WCAG (und damit auch die europäische Norm) verfolgt in den Konformitätsbedingenen das Konzept von "pass" / "fail" (also eine Anforderung ist "erfüllt" oder "nicht erfüllt"). Aufgrund der Aktualisierung der BITV 2.0 im Mai 2019 und des Bezugs auf die EN 301 549, die die Konformitätsbedingungen der WCAG enthält, änderte der BIK BITV-Test sein Auswertungskonzept. Denn eine größtmögliche Nähe zur BITV / EN ist der Anspruch des Verfahrens. Da der Standard ein fein ausdifferenziertes Punktesystem nicht hergibt, kann auch ein vom Standard abgeleitetes Testverfahren dieses nicht einsetzen.

Prüfstelle als Vorbereitungspartnerin

Wenn also Prüfstellen schrittweise EN- oder WCAG-Nachtests nicht im BIK-Prüfverbund trotz entsprechender Anfrage anbieten können (um z. B. Konformität inkrementell zu erreichen), ist dies nicht mangelnde Flexibilität, Phantasielosigkeit oder Geldgier seitens der Prüfenden zurückzuführen. Die Prüf-Erfahrungen zeigen jedoch, dass bei Webauftritten mit vielen gefundenen Barrieren oft so große Reparatur- und Optimierungsschritte veranlasst werden, dass sich der Testgegenstand grundsätzlich verändert. Es kommt auch vor, dass neue Barrieren (unbewusst) etabliert werden und man es quasi mit einem frischen Testgegenstand zu tun hat, der einen erneuten, kompletten Test erfordert.

Da sich bei einer Testanbahnung übrigens viele Fragen und Antworten wiederholen, habe ich mich bemüht, diese prominent in einem "FAQ"-Bereich auf meiner Website zusammenzustellen.

Die Frage aus der Überschrift, ob EN- oder WCAG-Konformität (fast) nicht realistisch zu erreichen ist, lässt sich übrigens auch deswegen verneinen, da der BIK-Prüfverbund auf der Seite bitvtest.de Seiten und Projekte veröffentlicht, die durchaus bestanden haben. Letztlich kann ich nur für die Projekte sprechen, die ich betreut habe, aber viele Anläufe hat es jeweils dafür nicht gebraucht – bei einem Projekt gelang es auch dank intensiver Vorbetreuung sogar auf Anhieb.

Und damit sind wir an einem entscheidenen Punkt: Expertinnen und Experten der BIK-Prüfstellen verstehen sich als Unterstützende auf dem Weg zur Zugänglichkeit (oder mindestens formaler Konformität). Ein BIK BITV- oder BIK WCAG-Test ist dabei ein strukturiertes Beratungsinstrument anhand real geltender gesetzlicher (sportlicher und manchmal anspruchsvoller) Vorgaben. Auf Seiten des Prüfverbunds versuchen wir, wieder einen Teil Nuance in die Prüfschrittbewertung hineinzubekommen, in dem wir mit "Erfüllt", "Eher erfüllt", "Teilweise erfüllt", "Eher nicht erfüllt" und "Nicht erfüllt" bewerten. Das Rad beziehungsweise WCAG-Konformitätsbedingungen neu erfinden können wir an dieser Stelle natürlich auch nicht, sodass alles ab "Teilweise erfüllt" als "Nicht bestanden" gewertet werden muss – und umgekehrt.

BIK-Selbstbewertung

Letztendlich gibt es auch noch das System der BIK BITV-Selbstbewertung, mit dem man einen Webauftritt ins "Test-Vorbereitungs-Bootcamp" schicken kann. In der Konsequenz nutzen Prüfstellen die gleichen Prüfschrittbeschreibungen sowie das gleiche technische Instrument ("BIK Studio", mit mehr Funktionen). Der Unterschied besteht in der Prüfungs-Erfahrung im Zusammenspiel mit Neutralität und Expertise der Prüfenden, der BIK-Qualitätssicherung durch eine*n BIK-Fachkolleg*in und den steten Austausch zwischen allen Prüfstellen.

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